CWWN – Ein Platz für mich

Von Neugier geleitet steht man einander gegenüber; manchmal muss ein Schleier der Schüchternheit oder des Misstrauens beiseitegezogen werden, damit gegenseitiges Vertrauen entsteht.

Henri Cartier – Bresson – französischer Fotograf 1908 bis 2004 – einer der Besten der Welt

Hier ist mein Platz.

Seit über 25 Jahren, also ungefähr rund die Hälfte der heutigen Jubiläumszeit, habe ich immer wieder mal die Rheinberger Werkstätten oder das Wohnheim der CWWN besucht, um dort für die Tageszeitung Bilder für einen Presseartikel aufzunehmen.

Ganz ehrlich? Anfangs war es schon ungewohnt so viele Menschen mit einer Einschränkung auf einem Fleck zu erleben. Doch schon nach kurzer Zeit bemerkte ich, wie rücksichtsvoll und liebevoll die Menschen hier miteinander umgingen. Dieser erste Eindruck verfestigte sich über die Jahre immer mehr, jeder hilft jedem, ein unglaubliches Erlebnis einmal gemeinsam im großen Speisesaal ein Mittagessen zu erleben. Mehr als rührend wie der Eine auf die Handikaps des Anderen eingeht und mit wenigen Gesten oder Taten ein mögliches Ungeschick verhindert. Meistens noch begleitet mit einem Lächeln. Solche Rücksichtsnahmen würde man sich so überall wünschen.

Von Beginn an, immer bei Gelegenheit, ein anregendes Gespräch mit dem Herrn Bernhard Wippermann. Irgendwann wurde dann von ihm das Versprechen gegeben: „Irgendwann machen wir mal was zusammen!“

Und nun ist es soweit.

Wir haben es gemacht!

Ein Querschnitt der Menschen, die bei der CWWN betreut werden. Und den Mitarbeitern, die dafür sorgen, dass es diesen Menschen mit ihren ganz unterschiedlichen Einschränkungen bei der Arbeit und in der Freizeit gut geht.

Man erfährt viel von einem Menschen in seinem Gesicht und in dem, womit er sich umgibt, woran sein Herz hängt – kurz was ihm wichtig ist.

So entstand nach einigen weiteren Überlegungen die Idee zu diesem Buch. Ein wichtiger Aspekt für mich war die übliche Unsicherheit eines Menschen in einem Fotostudio zu minimieren. Dunkel und oft winzig, mit grellen Scheinwerfern entsteht schnell ein Gefühl der Unsicherheit und des Ausgeliefert – Seins. In solch einer ungewohnten Umgebung entstehen nur selten Bilder in denen eine Unbefangenheit und Lockerheit spürbar ist.

Die Turnhalle der Rheinberger Werkstatt ist geradezu ideal als alternatives Fotostudio. Freundlich, großzügig, hell und mit viel Möglichkeiten den Blick nach draußen schweifen zu lassen. Problemlos kamen Andrea Emde und ich mit den „ Fotomodellen“ ins Gespräch. Schnell war die erste Nervosität beseitigt und die ersten brauchbaren Bilder entstanden. Doch nur sehr selten kam das erste Bild in die Endauswahl, viel häufiger war viel Geduld gefragt, die entscheidende Geste oder genau den richtigen Ausdruck einzufangen. Dabei stand die Befindlichkeit der Fotografierten jederzeit im Vordergrund. Einfühlungsvermögen, Geduld und Schnelligkeit, ohne hektisch zu sein, waren die wichtigsten Tugenden im richtigen Moment.

Ja, und dann die Stühle.

Ein Platz im Zug, in der Schule, auf der Arbeit, im Wartezimmer und in der Gesellschaft.

Und hier die Möglichkeit mit einer Lieblingsfarbe des Stuhls sich wohl zu fühlen und nicht verloren herumzustehen. Oder auch um die Lieblingsdinge darstellen zu können. Viele fühlten sich bereits nach kurzen Momenten so locker wie zuhause auf dem Lieblingssofa.

Manchmal kam die Bildidee wie von selbst im Gespräch, manchmal musste die Ermutigung das Ungewöhnliche zu tun oder zu wagen helfen. Gelegentlich war es auch ohne Übertreibung richtig harte Arbeit.

Nicht zu vergessen diese sagenhaften Momente, wo etwas ganz Besonderes geschah. Andrea und ich wussten hinterher manchmal gar nicht wie uns geschehen war. Ungläubig schauten wir hinterher einander an.

Die fotografische Ausrüstung habe ich auf das absolute Minimum reduziert, eine Kamera mit nur einem Objektiv, einem Blitz und sonst keine Tricks. Alle Aufnahmen entstanden an insgesamt 12Tagen. Normalerweise sind Mischungen von Farbe und Schwarz – Weiß Bildern selten zufriedenstellend, aber hier passt es meiner Meinung nach perfekt.

Mein besonderer Dank geht an Herrn Wippermann für die Erlaubnis alle Bilder an einem Ort machen zu dürfen, was die logistische Komponente extrem vereinfachte und sein Verständnis manches, zuerst ungewohnte Bilder erstmal sacken zu lassen, um dann Ihren Wert zu erkennen. Andrea Emde, mit der ich fast immer einer Meinung war und die mit meinen Marotten und Bedenken perfekt umzugehen wusste. Dem Küchenteam um Marlies für die exzellente Bewirtung gebührt ein großes Kompliment.
Klaus Vogel von Vosign für die druckreife Bildbearbeitung, Petra für die moralische Unterstützung auch in schwierigen Situationen des Projekts.

Abschließend ist es mir ein besonderes Anliegen allen Menschen in diesem Buch meine Wertschätzung auszusprechen, sich für dieses Fotoprojekt unbefangen und freudig geöffnet zu haben und uns und den Betrachtern und Lesern auch in späteren Generationen etwas an Ihrem Leben teilhaben zu lassen.

Armin Fischer im April 2018